Archiv 2015-10
8-Wochen-Programm für Körper, Geist und Seele
Über Yoga und Energiemedizin wurde bereits viel geschrieben, doch selten lag der Fokus auf der Verbindung zwischen den beiden Welten wie in dem Buch „Energieheilung mit Yoga“ von Lauren Walker.
Die Autorin stellt ein 8-Wochen-Programm vor, das Atemübungen, Kopfmassagen, Balance-Übungen und spezielle Asanas enthält. Ziel ist es, die Energieströme zu harmonisieren, Blockaden zu lösen und die Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Man erfährt viel Wissenswertes darüber, wie der Körper funktioniert, wie man Energie im Körper bewegt und lenkt, was hinter Allergien steckt oder wie man mit bestimmten Übungen Gewohnheitsmuster unterbrechen und verändern kann.
Besonders gut gefielen mir die anschaulichen Metaphern. So vergleicht die Autorin Energiebahnen mit Skipisten, die immer wieder geglättet werden müssen oder den Körper mit einer Konstruktion aus beweglichen Spiralen, Kuppeln, Stäben und Seilen, die unter Zugspannung stehen und zusammengehalten werden. Auf verständliche Weise erklärt sie, warum es so wichtig ist, all das im Gleichgewicht zu halten, um Krankheiten vorzubeugen.
Viele Übungen sind auch für Anfänger leicht umzusetzen wie zum Beispiel die Brücke – eine Rückwärtsbeuge, die aus der Rückenlage ausgeführt wird. Eine einfache Bewegung mit mehrfacher Wirkung: Laut Walker stärkt und stabilisiert sie die Hüften, die Oberschenkel und den Rücken, verstärkt den Blutfluss zum Gehirn und stimuliert die Schilddrüse.
Ein zusammenfassendes Arbeitsblatt und ein Übungs-Programm spornen dazu an, das Gelernte gleich in die Praxis umzusetzen und es fest in seinen Alltag zu integrieren. Was die Anleitungen betrifft, hätte ich mir jedoch eine begleitende DVD gewünscht. Die Fotos sind zwar hilfreich, können aber die Bewegungsabläufe nicht so gut vermitteln wie ein Film.

Die Geschichte der Goldenen Statue
Es gibt wohl kaum einen Anlass, bei dem so viele Freudentränen vergossen und so lange Dankesreden gehalten werden wie bei der alljährlichen Oscarverleihung. Einen interessanten Einblick in die Geschichte des begehrten Filmpreises gibt der Dokumentarfilm „And the Oscar goes to“.
Das erste Mal wurde der Satz „The winner is ... „ am 26. Mai 1929 im Roosevelt Hotel ausgesprochen, als der deutsche Schauspieler und Weltstar Emil Jannings den ‚Academy Award of Merit’ erhielt. Douglas Fairbanks wickelte die Verleihung in der Rekordzeit von vier Minuten und 22 Sekunden ab – heute undenkbar!
Man erfährt, wie Hollywood-Insider wie Tom Hanks, Whoopi Goldberg oder George Clooney die Entwicklung der Oscarverleihung erlebt haben. Auch ein dunkles Kapitel in der McCarthy-Zeit bleibt nicht unerwähnt: als „kommunistisch" gebrandmarkte Schauspieler und Regisseure standen auf schwarzen Listen und durften keinen Oscar gewinnen.
Besonders interessant fand ich das Interview mit Helen Mirren, die den Oscar als beste Darstellerin für die Rolle der Queen gewann. Sie sagt, es sei ein komisches Gefühl, in einem maßgeschneiderten wunderschönen Kleid im Publikum zu sitzen, umgeben von Menschen mit völlig gegensätzlichen Haltungen – arrogant und stolz die einen, unsicher und demütig die anderen. Wie im Slow Motion erlebe man die Öffnung des Umschlages und die Nennung des Gewinners. Wie muss es da der Filmcrew von „Die Farbe Lila“ ergangen sein? In 11 Kategorien war der Film von Steven Spielberg nominiert und ging völlig leer aus.
Auch wenn man über Sinn und Unsinn der Oscarverleihung streiten kann, so macht sie einem doch bewusst, wie viele verschiedenen Elemente wie Sound, Maskenbild, Technik, Kostümdesign, Regie etc. aufeinander abzustimmen sind, um ein Gesamtkunstwerk zu schaffen.
Ich erinnere mich, wie ich bei einer Oscarnacht besonders mitgefiebert habe: Es war 1986, als „Jenseits von Afrika“ von Sydney Pollack für 11 Oscars nominiert wurde und 7 davon gewann.

It's Tea Time
Der Abschied vom Sommer fällt schwer, doch ein paar herbstliche Genüsse können die Stimmung wieder aufhellen. Zum Beispiel eine gute Kürbissuppe oder die leckeren Tees der Marke Yogi Tea. Oder man kombiniert gleich beides.
Vor ein paar Tagen entdeckte ich nämlich ein Rezept für eine Kürbissuppe mit Rooibosaroma, das ich heute ausprobieren möchte. Gerichte mit Tee aufzupeppen ist ja total angesagt. So kann man eine Currywurst-Sauce oder einen Bohneneintopf mit Rooibostee würzen, Dressings und Brote mit Gewürztee oder grünem Tee verfeinern und Früchtetee mit Cocktails oder Cremespeisen mixen.
Zu den bekanntesten Büchern zählt „Köstlich kochen mit Tee“ von Tanja & Harry Bischof, in dem die Autoren exotisch klingende Rezepte wie Grünteenudeln mit gerösteter Paprika, Lammbolognese in Salbeitee oder Jasmintee-Panna cotta vorstellen. Aber auch viele Hersteller wie Cilia bieten mittlerweile auf ihren Webseiten eine spezielle Rubrik für „Kochen mit Tee". Vertraute Gerichte sollen so eine neue Note bekommen, heißt es. Praktisch ist zumindest, dass man in der Regel ein paar Teesorten vorrätig hat. Zum Kochen sind die Yogi Tees aber viel zu schade. Den trinkt man lieber pur, zum Beispiel die leckere Sorte Schoko zum Nachmittagskuchen.

Bier und Limonade
„Wie keiner sonst“ – so lautet der Titel des Romans von Thomas Bengtsson und trifft auf so vieles in dieser Geschichte zu.
Damit könnte der Vater gemeint sein, der seinen siebenjährigen Sohn allein erzieht, ihm den Schulstoff selbst beibringt und ständig seine Zelte abbricht, um in und um Kopenhagen neu anzufangen. Mit Gelegenheitsjobs wie Möbelrestaurator, Türsteher oder Lichttechniker schlägt er sich durchs Leben. Sein Sohn versteht zwar das Nomadenleben nicht, verehrt seinen Vater jedoch bedingungslos und will so sein wie er.
Im zweiten Teil verschwindet der Vater plötzlich von der Bildfläche und bringt die Geschichte ein wenig aus dem Gleichgewicht – so sehr hat man sich an die traute Zweisamkeit zwischen Vater und Sohn gewöhnt. Auch der Sohn, der nun bei seiner Mutter lebt, entwickelt sich immer mehr zum Außenseiter, raucht Joints und verschreckt Lehrer und Schüler mit seinen verstörenden Zeichnungen.
Es ist faszinierend, wie unsentimental und doch treffsicher Bengtsson die Gefühle des Jungen wiedergibt. Sehr deutlich wird dies in einer Szene, in der er heimlich die Wohnung der Vermieterin inspiziert und zwischen dem Reiz, etwas Verbotenes zu tun, und der Angst, ertappt zu werden, hin- und hergerissen ist.
So wie die Romanfiguren muss man auch als Leser darauf gefasst sein, bei der Lektüre aus der Bahn geworfen zu werden. Haben sich Vater und Sohn in einer fast idyllischen Atmosphäre gerade noch ein Bier und eine Limonade bestellt, wird man kurze Zeit später mit einer Gewaltszene überrascht. Es ist wahrlich ein Roman ‚wie keiner sonst’, der von einer tragischen Vergangenheit, emotionaler Zerrüttung und Menschlichkeit handelt.

Wilde Abenteuer eines Rechengenies
Es ist nicht verwunderlich, dass ein Schriftsteller nach einem Weltbestseller auf sein bewährtes Muster zurückgreift, um an den Erfolg anzuknüpfen. Erstaunlich fand ich aber doch, wie konsequent Jonas Jonasson dieses Prinzip bei seinem Roman „Die Analphabetin, die rechnen konnte“ angewendet hat. Nicht nur die Satzstruktur des Titels erinnert an seinen Vorgänger „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“; auch die skurillen Figuren, ihre aberwitzigen Abenteuer und Einmischung in die Weltpolitik sind sich einander ähnlich.
Diesmal steht Nombeko, ein schwarzes Mädchen aus den Slums von Soweto, im Mittelpunkt der Geschichte. Als sie von einem betrunkenen Ingenieur angefahren wird, muss sie fortan als Putzfrau für ihn arbeiten. In seinem Haushalt freundet sie sich nicht nur mit drei chinesischen Schwestern an, die Kunst fälschen, sondern wird auch in ein südafrikanisches Atomwaffenprogramm involviert, an dem ihr Boss arbeitet. Schließlich landet Nombeko mit den drei Schwestern und einer Atombombe, die eigentlich nach Israel geschickt werden sollte, in Schweden.
Wieder mangelt es Jonas Jonasson nicht an aberwitzigen Ideen, pfiffigen Charakteren und Wendungen. Es gibt wohl kaum einen Schriftsteller, der so kühn und satirisch mit Themen wie Apartheid oder Atomwaffen umgeht. Die rauchige Stimme von Katharina Thalbach passt sehr gut zu der pfiffigen Hauptfigur und der verrückten Geschichte. Zum Ende hin fand ich Nombekos Abenteuer etwas langatmig und ermüdend, doch die lebendige Lesung macht einige Längen wieder wett.

Die Kunst, Kind zu sein
Meine Begeisterung für Bücher nahm ihren Anfang mit „Wir Kinder aus Bullerbü“ von Astrid Lindgren. Sie brachte mich nicht nur dazu, nahezu alle Bücher von ihr zu verschlingen, sondern auch selbst zu schreiben. Umso mehr interessierte mich ihre Biografie mit dem Titel „Astrid Lindgren. Ihr Leben“ von Jens Andersen.
Geschickt wählt der Autor die umfangreiche Fanpost als Einstieg in ihre Lebensgeschichte und bringt Astrid Lindgren dem Leser nicht als abgehobene Bestsellerautorin, sondern als „Klok gumma“, die „kluge Alte des Nordens“, näher, eine Frau aus der Nachbarschaft, der man sich anvertraute und die man um Rat bat.
Nach und nach verstand ich, warum Lindgrens Bücher mich und Millionen andere Leser derart berührt haben. Die Bedürfnisse und Gefühle der Kinder zu verstehen und zu vermitteln war ihr eine Herzensangelegenheit. Sie selbst verbrachte eine glückliche Kindheit in Vimmerby. Als Mutter beobachtete sie sowohl ihre eigenen Kinder und Spielkameraden als auch fremde Kinder auf der Straße genau. Der Vasapark in Stockholm war für sie ein psychologisches Labor, in dem sie regelmäßig das menschliche Verhalten, verschiedene Charaktertypen, die Spiele und den Umgang der Eltern mit den Kindern analysierte und in ihre Geschichten einfließen ließ.
Es finden sich sehr amüsante Episoden in ihrem Leben, zum Beispiel wie Lindgren die Entwicklung ihres Sohnes Lasse in den hinteren Seiten des „Praktischen Kassenbuchs der Hausfrau“ minuziös festhält. Sie selbst nahm eine Doppelposition ein, war gleichzeitig Elternteil und Kind und kletterte bei einem öffentlichen Event mit 70 auf einen Baum als sei sie Pippi Langstrumpf höchstpersönlich.
Jens Andersen zeichnet ein sehr vielschichtiges Porträt der weltberühmten Schriftstellerin. Öffentlich zeigte sie sich als einflussreiche Lektorin, professionelle Geschäftsfrau, schlagfertige Rundfunkmoderatorin und politische Aktivistin. Privat war sie eine leidende Mutter, die ihren Sohn für einige Jahre in eine Pflegefamilie geben musste, und die immer wieder von Melancholie, Depressionen und der Einsamkeit heimgesucht wurde. All diese Facetten hat der Autor zu einer sehr beeindruckenden Biografie verwoben und schildert die Schattenseiten ihres Lebens mit sehr viel Mitgefühl.

Die fünfte Jahreszeit
Der Herbst zeigt sich in diesen Tagen mal mild, mal frostig und lenkt unsere Aufmerksamkeit unweigerlich auf die leuchtende Blätterpracht. Wer sich dabei noch die Audio-CD „Pure Landlust“ anhört, kann die Natur noch intensiver genießen und kommt ganz schön herum.
„Literarische Träumereien vom Leben in der Natur“ lautet der Untertitel und tatsächlich gerät man zuweilen ins Träumen, wenn man zum Beispiel Thomas Mann in sein Sommerhaus an der Ostsee begleitet, wo er das bewachsene Dünengelände, die vielen Gesichter des Meeres und die Niddener Elche im Wald beschreibt, sich mit Ernst Kammerer den ersten Zwetschgendatschi im Mund zergehen lässt oder mit Hermann Hesse einige Wintertage in Graubünden verbringt.
In der Erzählung „Herbswinter in Meran“ schildert Stefan Zweig sehr poetisch die Schönheit der Südtioler Täler und Weingärten, das besondere Licht und die sanften Übergänge der Jahreszeiten, was mich gleich an meinen letzten Kurzurlaub dort vor einigen Monaten erinnerte.
Die Erzählungen auf den 4 Hör-CDs sind sehr vielseitig und handeln nicht nur von atemberaubenden Landschaften, sondern auch von Wanderungen, Reisen, der Gartenarbeit oder –gestaltung. Die Auswahl der Sprecher ist sehr gelungen, wobei mir die ausdrucksstarke, dunkle Stimme von Johannes Steck mit rauem Timbre besonders gefiel.
Für Kurt Tucholsky war übrigens der Herbst, wenn der Spätsommer verklingt und die Natur ruht, die schönste Jahreszeit. Er nannte sie die „fünfte Jahreszeit“.

Es grüßt Arak
Wenn AnnaRosa eine reale Figur wäre, würde sie sicher jeden Tag Flüchtlinge bei sich aufnehmen. Es hat schon seinen Grund, warum sie als „Don Quijotes Schwester“ bezeichnet wird. So lautet auch der Titel des Romans von Root Leeb, in dem die Protagonistin entschlossen ist, bedürftigen Menschen zu helfen – das heißt, nicht nur Menschen: Als Kind versucht sie, Schweine zur Freiheit zu verhelfen, was ihr gehörig misslingt. Dieses einschneidende Erlebnis verstärkt nur noch mehr ihr Helfersyndrom.
Sie beschließt, Ethnologie und Archäologie zu studieren, um alles über die Menschheit und deren Geschichte zu erfahren. Es ist berührend und amüsant zugleich, wie ernst sie ihre Mission nimmt, die Welt zu verstehen, einzugreifen und aufzurütteln. An Ideen mangelt es ihr wahrlich nicht. So verfolgt man – mal schmunzelnd, mal mit Entsetzen – wie sie aus Mitleid einen Libanesen heiratet, um ihn vor der Abschiebung zu retten, Obdachlosen eine ungewöhnliche Unterkunft vermittelt und die Stadtlandschaft Wuppertals gestalterisch verändert. Bemerkenswert ist, dass sie sich keiner Organisation anschließt. Sie hat ihre eigenen Methoden und akzeptiert lediglich die Hilfe ihrer Mitbewohnerin Kerstin, mit der sie ihre Samariterträume auslebt und ihre Aktionen mit „Es grüßt Arak“ unterzeichnet.
Ihre Schwester Melissa versucht vergeblich, sie davon zu überzeugen, dass man manche Dinge nicht ändern kann. Verständnis findet AnnaRosa lediglich bei ihrem Professor, in den sie sich leidenschaftlich verliebt und der eine ganze andere zärtliche Seite der Retterin zum Vorschein bringt. Ein sehr zeitgemäßer Roman mit viel Herz und Humor, der unterhält und zum Nachdenken anregt.

Roadtrip quer durch England
Jess, Putzfrau und alleinerziehende Mutter, setzt alle Hebel in Bewegung, damit ihre hochbegabte Tochter Tanzie an einem Mathematik-Wettbewerb in Schottland teilnehmen kann. Soweit die Handlung des Romans „The One Plus One“ von Jojo Moyes, die mir zunächst nicht so originell erschien, zumal sie mich an an den Film „Little Miss Sunshine“ erinnerte.
So braucht die Geschichte auch eine Weile, bis sie endlich in Fahrt kommt – im wahrsten Sinne des Wortes, denn Jess begibt sich mit Tanzie, ihrem Stiefsohn Nicky, Hund Norman und ihrem Arbeitgeber Ed auf einen Roadtrip von Südengland nach Aberdeen. Dieser würde sich nicht so in die Länge ziehen, wenn Tanzie nicht extrem anfällig auf hohe Fahrgeschwindigkeiten reagieren würde. So bleibt den Fahrinsassen nichts anderes übrig, als auf der langen Strecke miteinander auszukommen und sich zwangsläufig näher kennenzulernen.
Auch wenn einiges in der Geschichte vorhersehbar ist, fand ich die Lektüre sehr unterhaltend. Das lag zum einen an den gut gezeichneten Charakteren und deren Entwicklung im Laufe ihrer gemeinsamen Reise. Ihr Abenteuer endet auch nicht wie erwartet in Aberdeen, sondern setzt sich wendungsreich fort und bringt weitere Figuren und Komplikationen ins Spiel. Am meisten hat mir der ungewöhnliche Schauplatz des Romans gefallen: Eds Auto. Auf engstem Raum spielen sich slapstickartige Szenen, bissige Wortgefechte bis hin zu emotionalen und folgenschweren Dramen ab. Für mich war es die ideale Urlaubslektüre.

„Leben? oder Theater?“
So hieß eines der bedeutendsten Werke der Malerin Charlotte Salomon. Der französische Schriftsteller David Foenkinos war so überwältigt von diesem gemalten Theaterstück sowie von ihren übrigen Gemälden, dass er den Drang verspürte, ein Buch über sie zu schreiben. Er begab sich auf Spurensuche der in Berlin geborenen und in Ausschwitz ermordeten Künstlerin, bereiste die Orte, an denen sie gelebt hatte, unter anderem Villefranche-sur-Mer bei Nizza.
Seine literarische Annäherung an die Malerin in seinem Buch "Charlotte" ist in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich. Zum einen ist es fast in Gedichtform geschrieben. Jeder Satz beginnt in einer neuen Zeile und verdichtet die Handlung, dass man das Gefühl hat, kein Wort ist zu viel. Irritierend ist, dass im Laufe der Geschichte der Erzähler stellenweise ganz plötzlich in Erscheinung tritt und seine Spurensuche beschreibt. Den Einsatz dieser Stilmittel fand ich äußerst gelungen, da er deutlich macht, wie aufgewühlt und fassungslos er angesichts seiner Erkenntnisse und Entdeckungen über die Künstlerin war.
So findet man in diesem Roman viele starke Momente, zum Beispiel als Charlotte bewusst wird, dass sie malen muss, um nicht verrückt zu werden, oder die immer wiederkehrende Sehnsucht nach ihrem Vater, der von seinen medizinischen Forschungen besessen ist und sie vernachlässigt. Umso intensiver entwickelt sich Charlottes Beziehung zu ihrer Stiefmutter Paula, einer begehrten Sängerin, die sie vergöttert und ganz für sich vereinnahmt. Bei der Schilderung der Naziherrschaft genügen einige kurze, prägnante Szenen, um das ganze Ausmaß des Grauens erahnen zu lassen. Auch das Liebesverhältnis zwischen Charlotte und dem Gesangslehrer Alfred Wolfsohn werden sehr eindringlich beschrieben.
Eine sehr lesenswerte Biografie, die nicht nur zeitgeschichtliche Hintergründe, sondern auch die Seelenlandschaft der Malerin auf eindrucksvolle Weise erforscht.

Hobbydetektiv jagt Rentnermörder
Paul Flemming ist Fotograf und leidenschaftlicher Hobbydetektiv. Der Protagonist der Krimireihe von Jan Beinssen hat schon so manchen Fall in Nürnberg gelöst. Im zehnten Fall „Sechs auf Kraut“ ist er selbst unmittelbar betroffen. Er rettet nämlich einen ehemaligen Staatsanwalt, der im gleichen Stammlokal verkehrt wie er, vor den herabstürzenden Fassadenteilen eines baufälligen Hauses – und muss wenige Tage später erfahren, dass der Rentner an der gleichen Stelle zu Tode gekommen ist.
Unfall oder Mord? Diese Frage beschäftigt Flemming immer stärker, zumal noch mehr Menschen sterben, die etwas gemeinsam haben: Sie trafen sich nicht nur regelmäßig zum Bratwurstessen im 'Goldenen Ritter', sondern waren auch in einer umstrittenen Nürnberger Massenverhaftung Anfang der Achtzigerjahre involviert.
Beinssen erzählt die Geschichte in rasantem Tempo. Nach und nach deckt er mehr Details zu der Massenverhaftung im alternativen Kulturzentrum KOMM auf, was die Spannung erhöht und zugleich interessante historische Fakten liefert. Eine besondere Stärke des Autors ist, viel Zeit- und Lokalkolorit einfließen zu lassen und eine authentische Atmosphäre zu erzeugen, sei es bei den Recherchen im KOMM, bei der Befragung eines Verdächtigen oder beim Auftischen fränkischer Spezialitäten wie dem berühmten 'Sechs auf Kraut' im Goldenen Ritter. Ein nettes Schmankerl ist der auf der inneren Umschlagseite abgedruckte Stadtplan, in dem alle Tatorte des Romans eingezeichnet sind. Hoffen wir, dass der Hobbydetektiv, dessen erster Fall vor genau zehn Jahren erschienen ist, auch nach seinem Jubiläumsfall weiter ermittelt.

Schreiben als Meditation
Kurz nach dem Buch "Travel Writing 2.0" las ich das schon etwas ältere Buch "Writing down the bones" von Nathalie Goldberg. Sie bringt die Schreibpraxis jedoch nicht mit Reisen, sondern mit Meditation in Verbindung. In ihren Schreibbüchern und -workshops verknüpft sie Methoden des Kreativen Schreibens mit den Lehren des Zen-Buddhismus und beschreibt, welchen Einfluss die Zen-Meditation auf ihr Schreiben hatte. Aus ihren Erfahrungen hat sie einige Grundregeln abgeleitet, die sie den Lesern mitgibt: zum Beispiel beim Schreiben den Editor auszuschalten und sich zu erlauben, auch Mist zu schreiben und in Absurditäten einzutauchen; in einer festgesetzten Zeit alles niederzuschreiben, was einen in den Sinn kommt, und später gnadenlos zu streichen; das, was noch übrig bleibt, so lange feinzuschleifen, bis ein richtig guter Text entsteht. Sie selbst hat sich auferlegt, jeden Monat ein Notizbuch vollzuschreiben.
Mich erinnerte das Buch an "Der Weg des Künstlers" von Julia Cameron und "The Creative Habit" von Twyla Tharpe. Hier geht es nicht um das Handwerkzeug eines Schriftstellers und Tipps, wie man eine Handlung aufbaut oder Dialoge schreibt, sondern darum, das, was in in einem schlummert, wachzukitzeln und zum Ausdruck zu bringen. Wer sich von klischeehaften Ausdrücken lösen und Ungewöhnliches wagen will, wird in diesem Büchlein sicher viele inspirierende Anregungen und ausgefallene Schreibübungen finden. Nathalie Goldberg beschäftigt sich auch mit verschiedenen Locations zum Schreiben und hat unter anderem das Buch "Schreiben in Cafés" verfasst. Die Stadt, in der sie am liebsten schreibt, ist Taos in Mexiko.

Ein Mann in Schwarz und Weiß
Ich mag Bücher, die von Außenseitern, Exzentrikern und verschrobenen Charakteren handeln. Daher weckte auch die Figur Ove aus dem Roman "A man called Ove" von Frederik Backman mein Interesse. Es geht um einen Griesgram, der seine verstorbene Frau Sonja schmerzlich vermisst und nun auch noch in den Vorruhstand versetzt wurde. Auf seinen regelmäßigen Kontrollrunden tyrannisiert er seine Nachbarn, weist Falschparker zurecht und sorgt dafür, dass der Müll korrekt getrennt wird. Eine Autofahrt beschreibt Ove ganz vortrefflich: Er weigert sich, die Fernbedienung für seine Garage und sein Auto zu benutzen, legt seine Sitze mit Zeitungspapier aus und fährt strikt nach Vorschrift. Alles, was ein Mann seiner Meinung nach braucht, ist gutes Werkzeug.
Eines Tages beschließt er, sein freudloses Leben zu beenden. Doch dann zieht eine Familie in seine Nachbarschaft und vereitelt seine Selbstmordpläne. Immer wenn es spannend wird, gibt es Rückblenden in die Vergangenheit und man erfährt, warum Ove zu dem Mann geworden ist, der er ist. Die Geschichte ist witzig und warmherzig, doch die überschwänglichen Rezensionen kann ich nicht ganz teilen. Zum einen waren mir die Charaktere etwas zu stereotyp. Ove ist übertrieben altmodisch, pedantisch und miesepetrig, für ihn gibt es nur Schwarz und Weiß, seine verstorbene Frau dagegen liebte die Kunst und Literatur. Ich konnte nicht ganz nachvollziehen, wie sich jemand wie Sonja in Ove verlieben konnte. Es ist eine unterhaltende Lektüre, die nicht ganz meine Erwartungen erfüllt hat.