Archiv 2015-09

Erzählen Sie weiter!
Manche Menschen halten Erinnerungen durch Fotos lebendig, andere durch Tagebücher oder Memoiren. Madame Rosella, Hauptfigur in dem Roman „Madame Rosella und die Liebe“ von Tuna Kiremitci, wählt einen ungewöhnlichen Weg: eine Unterhaltung in türkischer Sprache. Die 88-Jährige engagiert die junge Studentin Pelin, um ihr von den „außergewöhnlichsten, schönsten, schmerzvollsten und merkwürdigsten Jahre ihres Lebens“ zu erzählen, die sie während des Krieges in Istanbul verbracht hat.
Pelin hat zunächst wenig Verständnis für Rosellas Beweggründe und zeigt sich distanziert. Sie liest weder Zeitungen noch Romane, versteht nicht, dass sie für eine Unterhaltung bezahlt wird und lässt sich nur darauf ein, weil sie mit dem Geld ihr Studium finanzieren kann.
Es ist spannend, nur aus den Dialogen die beiden so unterschiedlichen Charaktere kennenzulernen und zu beobachten, wie sie sich annähern. Schon bald zeichnen sich immer stärkere Konturen der Figuren ab. Je mehr Rosella über ihre Vergangenheit erzählt, desto faszinierter ist Pelin von Rosellas Persönlichkeit und Charme. Sie selbst taut immer mehr auf und weiht Rosella in ihre Männergeschichten und in das schwierige Verhältnis zu ihrem Vater ein.
Sie stacheln sich gegenseitig zum Weitererzählen an, schweigen gemeinsam, wenn ihnen die Worte fehlen, weinen und trösten sich. Die regelmäßigen Treffen und Gespräche wirken so lebendig und bewegend, dass man das Gefühl hat, man sei selbst dabei.

Verhängnisvolle Begegnung
Meine Eltern waren ziemliche Filmfreaks und das hat sicher auf mich abgefärbt. Während bei meinen Freunden der Fernsehkonsum deutlich eingeschränkt war, zeigten sich meine Eltern in der Hinsicht sehr großzügig. Schon als Kind ließen sie mich einen Hollywood-Klassiker nach dem anderen mit ihnen ansehen, vielleicht in der Annahme, dass der eine oder andere Film durchaus pädagogisch wertvoll sein könnte.
Wenn ich meine Mutter besuche, kramen wir auch heute noch hin und wieder ein paar alte Schinken aus und bewundern die großen Leinwandstars wie Gregory Peck, James Stewart und Ingrid Bergmann. Zuletzt haben wir in der Tragödie „Waterloo Bridge“ von Mervyn LeRoy mit Robert Taylor und Vivien Leigh mitgelitten. Er handelt von dem britischen Offizier Roy Cronin und der Balletttänzerin Myra Lester. Sie begegnen sich bei einem Bombenangriff während des Ersten Weltkrieges und verlieben sich ineinander. Als Roy unerwartet abgezogen wird und Myra seinetwegen eine Vorstellung verpasst und ihren Job verliert, beginnt ihr sozialer Abstieg.
Obwohl nicht alle Details der Geschichte glaubwürdig erscheinen, finde ich die Mischung der großen Themen des Lebens gelungen. Es geht um die große Liebe, eine Begegnung, die das Leben komplett umkrempeln kann, Klassenunterschiede und die Wahl zwischen einem sicheren Job und der Mut zur Selbstständigkeit. Ein Film, der auch heute noch starke Emotionen hervorruft und mit seinen düsteren Bildern von London lange nachwirkt.

Vermeintlicher Traumberuf
Wer träumt nicht davon, durch die Weltgeschichte zu reisen, über seine Erfahrungen zu schreiben und damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Doch ist der Reisejournalismus wirklich ein Traumberuf oder ist es nur ein Traum, von dem Beruf leben zu können? Einblick in den wahren Alltag eines Reiseautors gibt Tim Leffel in seinem Buch "Travel Writing 2.0". Der Autor aus Nashville weiß, wovon er spricht. Mehrere Jahre war er als Rucksacktourist unterwegs, bevor er sein erstes Geld verdiente. Mittlerweile blickt er auf 20 Jahre Erfahrung zurück, in denen er unter anderem vier Bücher, etliche Reportagen für Magazine, Zeitungen und Reiseblogs geschrieben sowie zwei Reise-Webmagazine ins Leben gerufen hat.
Sein Beruf hat ihm viele spannende Reiseabenteuer beschert – von Luxussafaris in Botswana über Wanderungen in den Anden, palastartige Unterkünfte in Mexiko bis hin zu Weinverköstigungen in Europa. Doch der Weg bis dahin war lang und hart. "Erst kommt das Reisen, dann das Geld verdienen", betont Tim Leffel. Und auch dann gestaltet sich das Geld verdienen auf dem hart umkämpften Markt immer noch schwierig. In der heutigen Zeit werden so viele Reisetipps und -erfahrungen auf Portalen wie Trip Advisor oder persönlichen Blogs kostenlos zur Verfügung gestellt, so dass Menschen immer weniger bereit sind, Geld für kostenpflichtige Beiträge zu zahlen. Nur wer seine spezielle Nische findet, flexibel ist und mehrere Standbeine aufbaut, so der Autor, habe Erfolgschancen.
Tim Leffel berichtet nicht nur von seinen eigenen Erfahrungen, sondern lässt auch seine Berufskollegen zu Wort kommen. Alison Stein Wellner zum Beispiel ist seit 13 Jahren im Business. Sie begann ihre Karriere als freiberufliche Reisejournalistin zunächst mit Beiträgen für Wirtschaftsmagazinen und spezialisierte sich dann immer mehr auf Geschäftsreisen und Luxusreisen. Einen anderen Weg ging John DiScala. Er bereist im Schnitt 20 Länder im Jahr, betreibt eine eigene Reise-Website und lebt von den Werbeeinnahmen. Unter besonders großem Stress stehen Autoren von Reiseführern. Ihre Zeit ist limitiert, um Hotels, Restaurants und Nightlife zu testen sowie Menschen vor Ort zu befragen, so dass ihnen nur noch die Nächte zum Schreiben bleiben. Für alle, die sich von solchen Strapazen nicht abschrecken lassen, bleibt der Reisejournalismus vielleicht nach wie vor ein Traumberuf.

Zu Recht prämiert
Hotels in guter Lage gibt es in Larnaka jede Menge. Ein Geheimtipp ist jedoch das familiengeführte Mesogios House Suites, das etwa zehn Gehminuten von der Strandpromenade liegt. Besonders wenn man einen längeren Aufenthalt plant wie wir, kann man sich in dem geräumigen Apartment mit Meerblick schön häuslich niederlassen. Alle Zimmer sind sehr stilvoll eingerichtet, teilweise im Art Déco Stil, und bieten jeden Komfort, den man sich wünschen kann. Eine 24-Stunden-Bäckerei und Konditorei sowie ein Supermarkt sind nur ein paar Gehminuten entfernt.
Man merkt sofort, mit wieviel Mühe und Aufmerksamkeit die Apartments geführt werden. Auf jedem Stockwerk werden einige Kleinigkeiten wie Bücher, Spiele und eine Auswahl an Lebensmitteln angeboten. Auf der Hotelterrasse stehen Loungemöbel, eine Selbstbedienungsbar, Grill-Equipment und Fitnesshanteln zur Verfügung. Einmal überraschte uns die Besitzerin mit einem köstlichen selbstgebackenen Apfelkuchen, an einem anderen Tag schenkte sie uns eine Flasche Rotwein. Mesogios wurde zu Recht von booking.com mit dem "Award of excellence 2014" ausgezeichnet.

Die Stadt der Götter
Als ich unseren Sommerurlaub auf Zypern plante, wusste ich sehr wenig über die Insel und entschied mich auf gut Glück für Larnaka an der Südostküste. Wie sich herausstellte, war es eine gute Wahl. Nachdem wir die letzten Urlaube in malerischen mittelalterlichen Hafenstädten wie Chania und Rethymnon auf Kreta verbracht hatten, wussten wir, dass dies kaum zu toppen ist. Doch Larnaka hat einen ganz eigenen Charme und ist genau das Richtige für einen zweiwöchigen Entspannungsurlaub.
Die Anreise gestaltete sich etwas abenteuerlich. Hätten wir unseren Flug einen Tag später gebucht, wären wir in den Lufthansa-Streik geraten. Zum Glück blieb uns dies erspart, dafür hätten wir wegen eines Sandsturms um ein Haar nicht in Larnaka landen können. Der Pilot ging jedoch das Risiko ein und so empfingen uns eine sandbedeckte Stadt und brütende Hitze.
Trotzdem suchten wir gleich am ersten Abend die berühmte Prachtpromenade auf mit Lokalen und Hotels im Art Déco Stil, die ein wenig an den Ocean Drive in Miami erinnern. Der Name des feinen Sandstrandes 'Phinikoudes' geht auf die Phönizier zurück, die einst die Stadt bewohnten, bedeutet aber auch 'kleine Palmen'. 1920 wurden sie eingepflanzt, sind mittlerweile meterhoch und säumen mit Oleanderbüschen und Laternen die Strandpromenade, wo abends das Leben brodelt. Für viel Flair sorgte das dreitägige 'Mediterranean Folklore Dance Festival' auf der Open-Air-Bühne, das jedes Jahr auf Zypern stattfindet. Typisch für die Stadt sind auch die klassizistischen Kolonialgebäude und ehemaligen restaurierten Lagerhäuser, die nun Behörden und Museen beherbergen.
Orientalischer wird es in Larnakas quirliger Altstadt mit engen Gassen und gemütlichen Tavernen. Das schönste Bauwerk ist die Kirche Agios Lazaros aus dem 9. Jahrhundert mit einer wunderschönen Architektur im byzantinischen Stil. Nur die fehlenden Bürgersteige nerven und man fühlt sich von den Autofahrern bedrängt.
Eigentlich hatten wir vor, mit einem Mietwagen die geteilte Stadt Nikosía und Limassol zu erkunden, doch die Hitze hielt uns davon ab. Bei Temperaturen von 34 Grad konnte ich lediglich an einer kleinen Bustour teilnehmen, die mich zu dem berühmten Salzsee, einem Ruheplatz von 85 Wasservogelarten, und der Moschee Hala Sultan Tekk führte, die nach Mekka und Medina als eine der wichtigsten Stätten des Islam gilt. In Kürze mehr über unser schönes Apartment.

Das Mädchen im roten Mantel
Eltern leben in ständiger Angst, dass ihren Kindern etwas zustoßen oder dass sie sie gar verlieren könnten. Genau dies widerfährt Beth, Hauptfigur des Romans „The girl in the red coat“ („Das Mädchen, das rückwärts ging“) von Kate Hamer. Es ist fast eine ‚self fulfilling prophecy’, denn Beth ist eine überbesorgte Mutter und hält die Zügel zu ihrer acht Jahre alten Tochter Carmel manchmal übertrieben eng. Carmel, der dies ganz und gar nicht gefällt, versucht immer wieder, sich aus ihrer Kontrolle zu lösen – bis zu dem Tag, als sie auf einem Geschichtenfestival im Nebel spurlos verschwindet.
Die Autorin schildert das Geschehen im englischen Norfolk abwechselnd aus der Sicht von Beth und von Carmel. Bemerkenswert ist, wie gut ihr dieser Wechsel gelingt. Die rätselhaften Gedanken und trotzigen Reaktionen der Tochter vermittelt sie genauso überzeugend wie die Verzweiflung, Trauer und Schuldgefühle der Mutter.
Mir gefiel auch, dass es sich um keine typische Entführungsgeschichte handelt. Carmel lernt eine dunkle mystische Welt kennen, während Beth zwischen Hoffnung und Panik schwankt und kläglich versucht, etwas wie Normalität in ihr Leben zu bringen. Die Intensität und Präzision, mit der Kate Hamer die Emotionen der Figuren darstellt, macht ihren Debütroman trotz einiger Längen im zweiten Teil absolut lesenswert.

Wer nicht hört, muss fühlen
Als pädagogisch äußerst bedenklich ist die Serie "Lillyhammer" zu betrachten, die auf Netflix zu sehen ist. Sie handelt von Frank Tagliano, einem ehemaligen New Yorker Mafiosi, der im Rahmen des Zeugenschutzprogramms ausgerechnet im beschaulichen Lillehammer ein neues Leben anfangen will. Mit dem neuen Namen Giovanni Hendriksen und seinen neu gewonnenen Freunden gründet er die Bar Flamingo, die sich bald zum beliebtesten Hotspot entwickelt. Sowohl beruflich als auch privat stößt er immer wieder auf Hürden, die ihm gar nicht in den Kram passen, doch nach dem Motto "Eine Hand wäscht die andere" bekommt Giovanni immer seinen Willen – wenn nicht legal dann eben illegal. Gäbe es ein Handbuch für seine typische Vorgehensweise, hätte es den Titel "Wer nicht hört, muss fühlen".
Und trotzdem hat man ihn als Zuschauer einfach gern, diesen Giovanni, der trotz seiner fragwürdigen Moral viel Herz hat, genauso wie sein Freund Torgeir, den er zum Geschäftsführer von Flamingo ernennt. Leider kann sich Giovanni auch in der zweiten Staffel nicht voll und ganz seinen neuen Aufgaben widmen, denn seine Vergangenheit holt ihn immer wieder ein und sorgt für witzige und spannende Szenen in Manhattan. Hut ab vor dem Casting Team. So viele skurrile, teilweise hässliche und abgefahrene Charaktere in geballter Form habe ich selten erlebt. Ich habe ein wenig gebraucht, um mit der Serie warmzuwerden, doch mittlerweile bin ich von den exzellenten Darstellern, dem subtilen Humor und den tollen Landschaftsaufnahmen begeistert.

Gebeutelter Kommissar
Jan Weiler, der vor allem für seine humorvollen Geschichten bekannt ist, zeigt in dem Roman „Kühn hat zu tun“ eine düstere Seite.
Es geht um den Leiter einer Mordkommission in München, der hinter seiner Gartenhecke die Leiche eines Rentners findet. Zeitgleich verschwindet ein Mädchen in einer modernen Neubausiedlung. Allein die Aufklärung dieser Fälle stellt für Kühn eine große Herausforderung dar. Der Mittvierziger ist aber auch noch als Familienvater stark gefordert und muss sich mit den Wünschen seiner Tochter, die seine finanziellen Mittel überschreiten, mit den politischen Ansichten seines Sohnes und den Bedürfnissen seiner Ehefrau auseinandersetzen.
Jan Weiler hat eine ungewöhnliche Geschichte geschrieben, die eine kriminalistische Handlung mit Gesellschaftskritik verbindet. Nur die Zahl der Themen, denen er sich annimmt – von Flüchtlingsproblematik und Integration über Rassismus und Bürokratie bis hin zu Bausünden und Umweltverschmutzung – waren für meinen Geschmack etwas zu viel des Guten. Die detaillierte plastische Darstellung des kleinbürgerlichen Lebens mit Weilers gewohnter Lakonie hätte ausgereicht. Angenehm überrascht war ich von der Hör-CD. Der Autor liest brillant mit viel Wärme und Mitgefühl.

Verkaufsstart
Ab sofort ist mein Roman „Glückliche Zukunft“ im Amazon Shop erhältlich!
Die Formatierung und Konvertierung in eine MOBI-Datei mit den Programmen Calibre und Kindle Previewer funktionierten einwandfrei. Innerhalb von sechs Stunden war das e-Book im Shop verfügbar. Nun kann ich mir noch überlegen, ob ich über den Dienst CreateSpace auch eine Druckversion anbiete. Wer hätte gedacht, dass man so schnell und einfach ein Buch veröffentlichen kann – wenn es erst einmal geschrieben ist.
Mich erwartet nun auch eine ‚glückliche Zukunft’, weil ich mich endlich von den Schreibstrapazen der letzten Wochen erholen kann. Bis zu meinem nächsten Roman lasse ich mir etwas Zeit. Meine Freundin hat allerdings gestern verkündet, dass sie in ihrem Urlaub viele haarsträubende Sachen erlebt hat, die Stoff für einen neuen Roman bieten würden. Ich bin gespannt auf ihre Stories heute Nachmittag.
Ich hoffe, dass Euch die Geschichte gefällt und freue mich auf Euer Feedback!

Zwei Schwestern sorgen für Wirbel
Ein Roman, der von zwei Teenagern handelt und auch Erwachsenenherzen tief berührt, ist „Die andere Seite des Himmels“ von Jeannette Walls. Die zwölfjährige Bean steht zunächst im Schatten ihrer großen klugen Schwester Liz, die sie bewundert. Beide leiden unter der Rastlosigkeit ihrer Mutter, die auf den großen Durchbruch als Sängerin wartet. Dennoch halten sie zusammen, essen ständig Hühnerpastetchen und nennen sich stolz „Stamm der drei“.
Eines Tages verschwindet die Mutter für längere Zeit, und die Schwestern sind gezwungen, ihren Onkel Tinsley aufzusuchen. So machen sie sich auf den Weg in ihren Heimatort Byler in Virginia. Obwohl sie in der konservativen Kleinstadt immer wieder anecken, verläuft ihr Leben zum ersten Mal in geregelten Bahnen – bis sie heimlich anfangen, für den herrschsüchtigen Maddox zu arbeiten. Der Leiter der Weberei entpuppt sich als mächtigster Mann der Gemeinde und bringt Liz in große Schwierigkeiten. Der Onkel resigniert und geht jedem Konflikt aus dem Weg. So hängt das Schicksal der Schwestern allein von Bean ab.
Es ist faszinierend und bewegend zugleich, welche Wandlung das anfangs noch unbedarfte Mädchen in dieser Geschichte durchmacht und wie sie mit unbeirrbarem Gerechtigkeitssinn für ihre Schwester einsteht. Auch der Rassismus und die Vorurteile, die bei den Kleinbürgern tief verankert sind, werden thematisiert. Besonders gut gefallen hat mir die Prise Poesie, die die Autorin mit dem Auftritt zweier Emus in die Geschichte bringt und für ein fantasievolles Ende sorgt.

Vergebliche Suche nach dem Familienglück
Treffender könnte der Titel des Romans "Die Frauen des Lazarus" von Marina Stepnowa nicht sein. Obwohl der geniale Physiker Lazarus Lindt und sein wissenschaftlicher Durchbruch genügend Stoff für eine Geschichte bieten würden, spielt er hier eher eine untergeordnete Rolle. Umso lebendiger werden die drei Frauen gezeichnet, die einen besonderen Bezug zu Lindt und seinem Aufstieg als gefeierten Wissenschaftler hatten.
Einer der spannendsten Momente war für mich die Begegnung zwischen dem bettelarmen Physiker und dem renommierten Professor Tschaldonow, der ihn in seinem Haus aufnimmt und ihm eine Stelle an der Fakultät für Physik und Mathematik verschafft. Unglücklicherweise verliebt sich Lindt in dessen gütige Frau Marusja. Seine Gefühle bleiben jedoch unerwidert. Nach Marusjas Tod verliebt er sich erneut, diesmal in Galina, die nicht gegensätzlicher sein könnte: selbstverliebt, geltungsbewusst und angsteinflößend. Galina profitiert von Lindts Aufstieg zum Jahrhundertgenie, entwickelt sich zu einer angesehenen Madame und legt sich einen Hofstaat zu. Doch auch in dieser Beziehung bleibt Lindt das ersehnte Liebesglück verwehrt. Im Gegenteil: Galina ekelt sich sowohl vor ihrem Mann als auch vor dem gemeinsamen Sohn Borik. Hier zeigt die Autorin ihre humorvolle Seite und spricht von einer Lindtophobie. Ich hatte Mitleid mit beiden Männern, besonders mit Lindt, der sich nichts sehnlicher wünscht, als eine glückliche Ehe zu führen wie seine Zieheltern. "Seine Genialität reicht nicht bis zu den simplen Gesetzen des alltäglichen menschlichen Lebens" heißt es an einer Stelle treffend.
Am Ende tritt endlich eine Frau zum Vorschein, die sich für Lindts Leben interessiert, allerdings erst nach seinem Tod. Es ist seine Enkelin Lidotschka, die sich zunächst vor ihrer unnahbaren Großmutter in ihre Bücher flüchtet und später das Familienglück findet, das sich Lindt so sehr gewünscht hatte.
Marina Stepnowa erzählt in bildhafter Sprache eine sehr bewegende Familiensaga und lässt dabei viele interessante geschichtliche Hintergründe über das Leben in Russland im 20. Jahrhundert einfließen.