2023-06-05
Paris

Spiel mit dem Feuer

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Ein Roman, der unter anderem für den Prix Goncourt nominiert und in Frankreich ein Bestseller war, macht neugierig. Das Thema Ehebruch mag banal erscheinen, doch Maria Pourchet bringt in „Feuer“ eine ganz individuelle Note ein. Zum einen schreibt sie in der zweiten Person, so dass man sich direkt angesprochen fühlt und sofort in das unheilvolle Geschehen hineingezogen wird. Zum anderen schreibt sie schonungslos direkt, scharfzüngig, zuweilen sarkastisch. 

Ich habe mir immer vorgestellt, dass in einer Amour Fou beide Seiten mit gleicher Intensität hineinschlittern, doch hier ist es anders. Erzählt wird abwechselnd aus der Perspektive von Laure, einer verheirateten Uni-Dozentin, und dem alleinstehenden Investmentbanker Clément, so dass das Ungleichgewicht immer deutlicher wird. Während sich Laure mit Haut und Haaren ihrer Begierde hingibt, zu allem bereit ist und ihre Familie und Kollegen belügt und betrügt, ist Clément der Zögernde, der Skrupel hat, Grenzen setzt, immer wieder einen Rückzieher macht und andere in sein Geheimnis einweiht. 

So assoziiere ich den gut gewählten Titel vor allem mit der weiblichen Hauptfigur, die durch ihre Besessenheit und Fixierung auf Clément einen Flächenbrand auslöst. Zum Glück stürzt sich ja nicht jeder, der in einer Krise steckt, gleich in eine Liebesaffäre, doch die Leere, die sich in einem festgefahrenen Leben auftut, und der Wunsch, sich wieder lebendig zu fühlen, beschreibt Maria Pourchet so eindringlich und fesselnd, dass sie sich gut nachvollziehen lassen.

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2023-06-01
Panama

Verloren im Pazifik

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Der Titel “Gentleman über Bord” fasst so ziemlich die gesamte Handlung des Romans von Herbert Clyde Lewis zusammen. Bei dem Gentleman handelt es sich um Henry Preston Standish, einem New Yorker Börsenmakler, der auf einem Schiff von Hawaii nach Panama unterwegs ist, unglücklich ausrutscht und über Bord fällt. 

Was er in den folgenden Stunden durchmacht, ist buchstäblich ein Wechselbad der Gefühle. Sie schwanken zwischen Schock, Scham, Wut, Verzweiflung und Hoffnung. Anfangs ist er noch überzeugt, dass die Crew sein Fehlen bemerken wird und malt sich seine Rettungsaktion aus. Er führt Selbstgespräche, rechnet mit Gott ab und blickt auf sein Leben zurück. Das ist komisch und tragisch zugleich. Man kann gar nicht anders als mit ihm zu fühlen und sich ähnliche Fragen zu stellen wie er. Warum war er mit seinem bisherigen Leben so unglücklich? Was hat er sich von der Reise erhofft?

Die Situationskomik einerseits und Henrys existenzielle Ängste andererseits während er auf offener See treibt, bilden einen starken Kontrast. Alles, worauf Henry wenige Minuten vor dem Unglück Wert gelegt hatte wie der geregelte Tagesablauf an Bord, die nette Gesellschaft und sein Ansehen sind von einer Sekunde auf die andere über den Haufen geworfen und bedeutungslos geworden. Die starke Symbolkraft macht in dieses schmale Büchlein zu etwas Besonderem.

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